Trenul amintirilor - Поезд воспоминания - Pociąg pamięci - Train of commemoration - Zug der Erinnerung - Az emlékezés vonata - Vurdon so na bistrel nahles - o treno tis mnimis - To treno tis mnimis - Pociag pamieci - Train de la mémoire - Zuch vun der Erënnerung - Vlak uspome

Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

In Kooperation mit:

Logo Landschaftsverband Rheinland

Baden-Württemberg

Cover: searching for traces

Aktuell-Beiträge März 2009

Anordnung der DB AG:
Die öffentliche Berichterstattung wird eingeschränkt

DB will der Presse Interviews verbieten/ Der Zug erreicht Freiburg/ Bürgerinitiativen erinnern an Deportierte und Sklavenarbeiter der "Reichsbahn"/ Stuttgarter Innenministerium und Landeszentrale für politische Bildung: Keine Förderung, keinen Cent

Anna Stepanova Djatschenko (rechts im Bild)
gehörte zu den Freiburger Arbeitssklaven der
"Deutschen Reichsbahn". Sie war 18 Jahre alt,
als sie aus der Ukraine verschleppt wurde.

FREIBURG/BERLIN - Die DB AG hat TV-Berichterstattern untersagt, auf den Haltebahnhöfen Interviews mit den Initiatoren des Gedenkens aufzunehmen. Dies berichten TV-Teams, nachdem sie bei der DB AG Drehgenehmigungen einholen wollten. Demnach ist es verboten, auf den Bahnsteigen bebilderte Stellungnahmen der Zugbegleiter aufzunehmen und auszustrahlen. Dieses Verbot, das die öffentliche Berichterstattung bewusst einschränken will und das Gedenken an die Deportationsopfer dem Belieben der DB-Zentrale unterwirft, beruft sich auf das Hausrecht. Offensichtlich sollen Kritiker der DB, die dem DB-Vorstand Geschichtsvergessenheit vorwerfen, mundtot gemacht werden (Verdrängen, Vergessen, Verleugnen). "Statt den 'Zug der Erinnerung' zu fördern, überschattet die Unternehmensführung das Gedenken, indem sie ständig neue Konflikte provoziert", heißt es auf Anfrage bei der Bürgerinitiative. Das Verbot hat bisher wenig genützt: Die Presseberichterstattung ist umfangreich (Medienberichte). Neben vielen regionalen Anstalten drehte France 3, das französische Fernsehen, eine Reportage über den Zugaufenthalt in Baden-Württemberg. Das Interesse ist begründet: Die NS-Verbrechen fanden auch im benachbarten Alsace (Elsass-Lothringen) statt. Im französischen Strasbourg und Natzweiler begingen die Deutschen Massenverbrechen, über deren Opfer in der Zugausstellung berichtet wird.

Nach einem viertägigen Aufenthalt in Offenburg, wo über 4.000 Menschen auf den Bahnhof kamen (DB-Bahnhof Offenburg: Kein Hinweis auf die "Reichsbahn"-Verbrechen), hat der Zug jetzt Freiburg erreicht. Dort wird er bis zum kommenden Mittwoch auf Gleis 8 stehen. Der Freiburger Trägerkreis hat ein umfangreiches Begleitprogramm vorbereitet: mehrere Stadtführungen zu den Stolpersteinen für Freiburger Deportationsopfer, Lesungen, Filme, Vorträge (Flyer Freiburg). Dem Gedenken an die aus Freiburg verschleppten Kinder und Jugendlichen sind regionale Exponate gewidmet. Sie erinnern an die 14-köpfige Familie Spindler oder an den jungen Heinrich Rosenberg. Heinrich wurde am 22. Oktober 1940 mit seiner Mutter nach Gurs deportiert (Worms, Ludwigshafen, Speyer: Die Spur der Verbrechen). Mit 18 Jahren zu alt für die Rettung durch eine Hilfsorganisation, kam er mit dem "Reichsbahn"-Transport Nr. 31 über Drancy nach Auschwitz-Birkenau. Heinrich Rosenberg kehrte nicht zurück. Die Sinti-Familie Spindler wohnte in Herbolzheim. 1943 wurden sämtliche Familienangehörigen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Nur zwei, Franz Spindler (geb. 1926) und sein Bruder Lorenz (geb. 1928), überlebten.

Die Erinnerung gilt auch den nach Freiburg verschleppten Arbeitssklaven. Anna Djatschenko war 18 Jahre alt, als sie im November 1942 aus der Ukraine entfhrt wurde. Sie lebte in Freiburg im "Ostarbeiterlager", wo die "Reichsbahn" ihre Arbeitskraft ausbeutete. Wie das Freiburger Stadtarchiv rekonstruieren konnte, musste Anna zusammen "mit 30 weiteren Ukrainerinnen ... täglich unter Bewachung vom Lager zum Bahnbetriebswerk marschieren, um dort Waggons und Dampflokomotiven zu reinigen, die Feuerbüchsen auszuräumen, Rußfänger zu entleeren, Schlacken herauszuschlagen und Treibstangen von festgebackenem Schmutz zu befreien... Anna Djatschenko schlief im großen Fabrikgebäude des 'Ostarbeiterlagers' auf verwanzten Matten. Wachen mit Hunden patrouillierten nachts durch und um das Gebäude. Manche hatten Peitschen dabei und benutzten sie auch..."

Anträge auf finanzielle Unterstützung des Gedenkens haben die Landesregierung Baden-Württemberg und die Landeszentrale für politische Bildung abgelehnt (Baden-Baden: Gedenken hinter einer Betonmauer). Allein die Stadt Freiburg und zahlreiche gesellschaftliche Organisationen tragen zu den hohen Kosten zu bei. Das Verhalten der Landeszentrale ist kein Einzelfall: Wie der Freiburger Autor Andreas Meckel berichtet, lehnte es die Landeszentrale erst kürzlich ab, ein Gedenkbuch für zwei NS-Opfer zu bezuschussen.


DB-Bahnhof Offenburg: Kein Hinweis auf die "Reichsbahn"-Verbrechen an tausenden Häftlingen

Das "Reichsausbesserungswerk" und die rollenden Konzentrationslager/ Das Massaker vom April 1945/ Beispielhafte Erinnerungsarbeit der Städte Offenburg und Kehl

Überreste des Bauzuges einer "Reichsbahn"-Baubrigade.
In den teilweise offenen Waggons wurden KZ-Häftlinge
als Arbeitssklaven gehalten und mussten
auf den Gleisen Bomben entschärfen.

OFFENBURG/KEHL - Nach mehrmonatigen Vorbereitungen hat ein Initiativkreis unter Federführung der Stadt den "Zug der Erinnerung" auf Gleis 7 des Offenburger Hauptbahnhofs empfangen (Flyer). Das Stadtarchiv und das "Museum im Ritterhaus" brachten in den regionalen Waggonteil eine Ergänzungsausstellung ein, die über die Deportationen im Ortenau-Kreis berichtet. Seit 2004 entsteht ein "Ortenauer Gedenkbuch", das auch die politisch Verfolgten auffhrt. Initiator ist der Förderverein "Ehemalige Synagoge Kippenheim". Kinder und Jugendliche aus Offenburg gehören zu den Opfern der Massendeportationen vom 22. Oktober 1940 (Worms, Ludwigshafen, Speyer: Die Spur der Verbrechen). An diesem Tag erschienen in den Wohnungen Gestapobeamte und eröffneten den Menschen, sie hätten sich binnen einer Stunde auf eine Reise mit unbestimmtem Ziel einzurichten. Nur ein Handkoffer durfte mitgenommen werden. Sammelpunkt war die Turnhalle im heutigen Schiller-Gymnasium. Von dort erfolgte der Häftlings-Transport zum Offenburger Bahnhof. Weitere Verschleppungen in den Jahren 1942 bis 1945 führten aus Offenburg in die Lager Izbica (bei Lublin) und Terezin (Theresienstadt). Von den 300 Offenburger Juden überlebten nur 150 Menschen.

Seit 1941 unterhielt die "Deutsche Reichsbahn" in Offenburg ein Zwangsarbeiterlager mit über 1.000 Gefangenen. Sie wurden in einem "Reichsausbesserungswerk" für den deutschen Kriegsnachschub ausgebeutet. Wegen der logistischen Bedeutung für die Westfront stationierte die SS wenig später sogenannte Eisenbahnbaubrigaden auf dem Offenburger Schienennetz. Eine Brigade bestand aus etwa 500 KZ-Häftlingen, die in 30 bis 40 "Reichsbahn"-Waggons vegetieren mussten. Je 70 Gefangene lebten in einem Waggon der rollenden KZ, wo ihnen 4-Etagen-Betten zur Verfügung standen. Um Fluchten zu verhindern, wurden die Waggons nach einem Arbeitstag von 10 bis 14 Stunden abgesperrt.

Zeitweise standen die 8., die 9. und 10. Baubrigade sowie ein Bauzug mit Gefangenen des KZ Flossenbürg auf den Offenburger Gleisen - insgesamt 1.500 Häftlinge. Über die Altersstruktur ist wenig bekannt. "Reichsbahn"-Zwangsarbeit auch für 17-Jährige war nicht ungewöhnlich. Den Gefangenen wurde befohlen, die neben den Gleisen niedergegangenen Blindgänger zu entschärfen. "Bei dem häufigen Beschuß durch Jagdbomber und Artillerie suchten die Häftlinge Deckung im Gelände. Dies wurde jedoch durch die Reichsbahn unterbunden", heißt es in einer Untersuchung von Bernd Boll ("Ausländische Zwangsarbeiter in Offenburg"). Am 12. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung durch die französische Armee, erschlugen die Bewacher wenigstens 41 der KZ-Häftlinge, die auch aus dem nahe gelegenen KZ Natzweiler stammten. "Manche Häftlinge erhängten sie an Wasserhähnen, andere warfen sie zu Boden, legten ihnen eine Stange um den Hals und stellten sich darauf, wieder andere erschlugen sie mit Keilhauen. Wer sich wehrte, wurde wie ein Tier totgeschlagen..."

Im heutigen DB-Bahnhof Offenburg erinnert kein Hinweis an das Martyrium der "Reichsbahn"-Gefangenen. Lediglich der DGB hat an der Außenfront seines Geschäftsgebäudes, das dem Bahnhof gegenüber liegt, eine Plakette angebracht.


Baden-Baden: Gedenken hinter einer Betonmauer der Deutschen Bahn AG

Der Zug trifft in Baden-Württemberg ein/ Landesregierung: "Wir haben dafür keine Mittel"/ Der Tod Tausender Opfer wird weiter beschwiegen

10. November 1938: Durch ein Spalier gaffender Mitbürger
werden männliche Angehörige jüdischer Familien
durch Baden-Baden gefhrt. Ziel ist das KZ Dachau.
Den Transport übernimmt die "Deutsche Reichsbahn".

STUTTGART/BADEN-BADEN - Hinter einer Betonmauer, die den "Zug der Erinnerung" vom Reiseverkehr abschirmt, findet das Gedenken an die Deportierten in Baden-Baden statt. Dort hatten die städtischen Mitträger und die Bürgerinitiative gehofft, die mobile Ausstellung für zwei Tage im sichtbaren Bahnhofsbereich zeigen zu können. Ideal wäre Gleis 1 gewesen; aus logistischen Gründen - so die DB AG - habe dieses Gleis nicht frei gegeben werden können. Ersatzweise kam Gleis 4 in Betracht. Aber am Sonntag musste der "Zug der Erinnerung" hinter einer Betonmauer Halt machen: Ihm wurde am äußersten Ende von Gleis 5 ein Abstellplatz zugewiesen. Wegen der meterhohen Schallschutzmauer ist er dort nicht mehr zu sehen.

Baden-Baden ist die erste von sieben Stationen in Baden-Württemberg (außerdem: Offenburg, Freiburg, Konstanz, Biberach, Laupheim, Ulm - Fahrplan). Aus Baden-Baden floh die Familie des damals neunjährigen Gerhard Durlacher, um den 1937 absehbaren Verfolgungen zu entgehen. Fluchtziel waren die Niederlande. Als dort die deutsche Wehrmacht einmarschiert, werden die Durlachers mit über 100.000 holländischen Juden "nach Osten" deportiert. Die dreitägigen Transporte, die zumeist in die Vernichtungslager Sobibor und Auschwitz führten, organisierte die "Deutsche Reichsbahn". Nach einer Zwischenstation in Theresienstadt endete auch die Familie Durlacher in Auschwitz. Bei Kriegsende war Gerhard Durlacher 17 Jahre alt. Seine Eltern kehrten nicht zurück. Nur Gerhard überlebte.

Mehr als 30 Jahre vergingen, bis Gerhard Durlacher die Verbrechen schildern konnte. Erst in seinem Buch "Ertrinken" (1987) erzählt er von der Kindheit in Baden-Baden, beschreibt die seit 1933 fortschreitende Ausgrenzung und den Weg der Familie in die Vernichtung. Der Durlachers (und der brigen Opfer der NS-Verfolgung) gedenkt die Stadt Baden-Baden, die auch den "Zug der Erinnerung" tatkräftig unterstützt, mit kürzlich verlegten "Stolpersteinen".

Obwohl der Zug über die baden-wrttembergische Bahnstrecke fährt, auf der Zehntausende deportiert wurden und eine unbekannte Anzahl zwangsverpflichteter "Reichsbahn"-Sklaven ihr Leben ließen, wies die Stuttgarter Landesregierung eine an den Ministerpräsidenten gerichtete Unterstützungsbitte kürzlich zurück. Statt des Ministerpräsidenten antwortete das Innenministerium der Bürgerinitiative: "Was die Finanzierung Ihres Projektes angeht, stehen im Verkehrsbereich des Landes keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Das Land kann lediglich über Regionalisierungsmittel des Bundes verfgen, die jedoch zweckgebunden für Transportleistungen im Schienenpersonennahverkehr und für sonstige Verbesserungen des ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr) einzusetzen sind."

Weder auf dem Bahnhof Baden-Baden, wo der "Zug der Erinnerung" noch bis Montag Abend steht, noch auf den Gleisanlagen in Offenburg (ab Dienstag) weist eine Gedenkplakette auf die Deportations- und Sklavenopfer hin.


Manfred Erlich in Speyer: Kampfbereiter Wille zum Widerstand

Letzte Station in Rheinland-Pfalz/ Bisher über 20 Tausend Besucher/ Der Zug erreicht am Sonntag Baden-Württemberg

Mit 16 Jahren in das KZ Dachau deportiert:
Alfred Cahn (hier mit seinem Vater) überlebte.

SPEYER - Die Ausstellung im "Zug der Erinnerung" ist auf der vorerst letzten Station in Rheinland-Pfalz eingetroffen. Bereits am Vormittag des ersten Aufenthaltstages kamen 30 Schulklassen in den Hauptbahnhof von Speyer, Gleis 1. Die Schirmherrschaft hat Oberbüürgermeister Werner Schineller bernommen, der gemeinsam mit Axel Elfert (Vorsitzender des DGB-Ortskartells) und Manfred Erlich, dem Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, bei der Eröffnung Grußworte überbrachte. Erlich hatte dem "Zug der Erinnerung" bereits bei Beginn seiner deutschlandweiten Fahrt Erfolg gewünscht: "Nur die Aufarbeitung und Bewusstmachung der Vergangenheit und ein kampfbereiter Wille zum Widerstand gegen alle antidemokratischen Tendenzen führt zu geistiger Freiheit und Humanität. Keine Entwicklung zum Frieden und zum kooperativen Zusammenleben kommt von selbst. Sie verlangt tatbereite Menschen zur rechten Zeit. Wer vor Tatsachen zurückweicht, sie zu relativieren, zu verharmlosen versucht oder gar als nicht existent betrachtet, verliert die Orientierung."

Auch Speyer zählt zu den Orten der NS-Deportationen mit der "Deutschen Reichsbahn". Am 22. Oktober 1940 wurden 64 Speyerer Juden in das Internierungslager nach Gurs in Südfrankreich deportiert (Worms, Ludwigshafen, Speyer: Die Spur der Verbrechen). Zahlreiche Deportierte aus Speyer waren im Kindesalter: die 13-jährige Liselotte Bötigheimer und die erst 11-Jährigen Margit Grünberg, Trude Elkan und Bernhard Günter Katz. Von Mannheim aus wurden die Speyerer Dorrit Reichenberg (8 Jahre) und Elisabeth Kling (11 Jahre) 1940 nach Gurs deportiert. Bereits 1938 führte der Weg des damals 16-jährigen Alfred Leopold Cahn auf dem deutschen Schienennetz nach Dachau, von dort über Antwerpen nach Gurs. Ihnen allen gibt das Stadtarchiv Speyer mit seiner Ausstellung im "Zug der Erinnerung" ein Gesicht und dokumentiert anhand von Kurzbiografien, dass sie zu den wenigen Kindern gehörten, die der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie entkommen konnten: Alfred Cahn gelang die Flucht in der Schweiz, Bernhard Katz wurde von einer französischen Kinderhilfsorganisation aus dem Lager geschmuggelt.

Neben der Zug-Ausstellung des Stadtarchivs Speyer laden die örtlichen Träger zu zwei Filmabenden ein. Am Freitag, 20. März, 20 Uhr wird die "Filmklappe Speyer" im Stadtratssitzungssaal den Film "Auf Wiedersehen im Himmel - Die Sinti-Kinder von der St. Josefspflege" vorführen. Am 9. Mai 1944 wurden 35 Waisenkinder, Sinti und Roma, aus dem Kinderheim der St. Josefspflege in Mulfingen bei Schwäbisch Hall nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Leitung des kirchlich geführten Kinderheims leistete bei der Deportation keinen Widerstand. Am Samstag, 21. März, um 18.45 Uhr zeigt das Theaterhaus Speyer die französische Spielfilmproduktion "Auf Wiedersehen Kinder" von Louis Malle.

In Rheinland-Pfalz wird der "Zug der Erinnerung" über 20.000 Besucher erreicht haben, wenn er am Samstag Abend Speyer verlässt und nach Baden-Baden weiterfährt (Fahrplan): In Mainz kamen mehr als 6.000 Menschen in die Ausstellung, in Koblenz 3.200, in Worms 4.300 und in Ludwigshafen 3.200.


Worms, Ludwigshafen, Speyer: Die Spur der Verbrechen

Bürgerinitiative fordert Mahnmal für die Opfer

Hauptbahnhof Ludwigshafen, Oktober 1940:
Massendeportation nach Gurs

LUDWIGSHAFEN - Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Worms hat der "Zug der Erinnerung" jetzt Ludwigshafen erreicht. Von hier wurden am 22. Oktober 1940 über 800 pfälzische Juden mit der "Reichsbahn" nach Südfrankreich verschleppt. Unter den Deportierten befanden sich wenigstens 63 Kinder. Auf den folgenden Stationen des Verbrechens wurden es noch mehr: Kinder aus Karlsruhe, Baden-Baden, Kehl oder Offenburg. Ziel der Transporte war das Lager Gurs am Rand der französischen Pyrenäen. Gurs wurde zum Umschlagplatz für die anschließende Vernichtung. Wer den Transport und die mehrjährige Lagergefangenschaft überlebte, hatte ab März 1942 mit neuen Deportationen zu rechnen. Sie führten über Paris (Drancy) nach Auschwitz.

Margot Wicki-Schwarzschild, damals 10 Jahre alt, berichtet über den Transport von Kaiserslautern nach Gurs: "Eines sehr frühen Morgens wurden wir jäh aus dem Schlaf gerissen; Stiefelgetrampel und lautes Klopfen an der Wohnungstür... In der Tür standen Gestapo-Leute in Zivil... Ich sah meinen Vater zittern, meine Mutter weinen... So standen wir, zusammen mit unserer fast 80-jährigen Großmutter, eine Stunde später übernächtigt und blaß bereit zum Abtransport... Wir wurden dann am späten Abend auf den Güterbahnhof getrieben, durch eine Unterführung, in der die Hitlerjugend der ganzen Stadt Spalier stand, uns verhöhnte, beschimpfte und anspuckte. Wir kamen uns wie der Abschaum der Menschheit vor."

Heute erinnert auf dem Ludwigshafener Hauptbahnhof nichts an die damaligen Ereignisse, die sich in ähnlicher Weise an sämtlichen pfälzischen Deportationsorten zutrugen. Auch auf den Wormser Gleisanlagen, wo die Ausstellung im "Zug der Erinnerung" bis zum vergangenen Sonntag zu sehen war, sucht man einen Hinweis vergeblich. Unter dem Eindruck des Zugaufenthalts will das Wormser "Bündnis gegen Naziaufmärsche" seine Aktivitäten für ein Mahnmal in unmittelbarer Bahnhofsnähe jetzt verstärken (Medienberichte).

Weder die Deutsche Bundesbahn (DB) noch die Deutsche Bahn AG (DB AG) haben es in den vergangenen Jahrzehnten für notwendig gehalten, an die Deportationsverbrechen auf den jeweiligen Bahnhöfen der Massentransporte aus der Pfalz und aus Baden mit angemessenen Ehrungen der einzelnen Opfer zu erinnern - Gedenkplaketten fehlen fast vollständig. Wo immer Bürgerinitiativen Anregungen unterbreiteten, stießen sie bei der DB auf den entschlossenen Widerstand des oberen Bahn-Managements oder wurden jahrelangen Einwendungen und finanziellen Forderungen der Bahn ausgesetzt. Der "Zug der Erinnerung" zeigt dazu bisher unveröffentlichte Dokumente. Sie stammen aus Essen, wo die DB mehrere Tausend DM für die "Gestattung" einer Gedenkplakette verlangte. In Hanau vergingen 8 Jahre, bevor es auf dem Gelände der DB AG zum Gedenken an die Deportierten kommen durfte. Heute muß der "Zug der Erinnerung" hohe Gebühren an die DB AG zahlen, um auf seinem Weg auf der früheren Deportationsstrecke die Geschichte der Opfer zu erzählen.

Der "Zug der Erinnerung" steht noch bis Mittwoch Abend in Ludwigshafen (Gleis 7) und wird von Donnerstag bis Samstag in Speyer Station machen (Fahrplan).


DB-Bahnhof Mainz: NS-Propaganda auf Gleis 8

Denkmalschutz für die "Reichsbahn"/ 40 Quadratmeter Wandreliefs zu Ehren der NS-Verbrechen

Knstlerische Verherrlichung deutscher Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschheit auf Gleis 8 (Datumsdetail)

MAINZ/BERLIN - Keine Gedenkplakette erinnert auf dem Mainzer Hauptbahnhof an die Deportationen der Opfer und ihre Leidensgeschichte - aber das Geschichtsbild der Täter wird dem Reisepublikum auf vier großformatigen Wandreliefs kommentarlos dargeboten. Die Reliefs von je 3 mal 4 Meter Größe zieren Gleis 8 über etwa 50 Meter Bahnsteiglänge. Im unverkennbaren NS-Stil des Hitler-Lieblings Arno Breker werden Szenen der deutschen Technik- und Eisenbahngeschichte dargeboten. Sie tragen das Jahrgangszeichen 1939 und führen das verlogene Fortschrittsbild der Nazis vor Augen: Germanische Frauen- und Bauernkörper blicken in die Kulisse von NS-Autobahnen oder "Reichsbahn"-Zügen; stolze Maschinen der NS-"Lufthansa" erobern den Himmel. Die Skandale dieser Darstellungen sind ihre Auslassungen: Die 1939 abgebildeten Maschinen vom Typ Ju 52 hatten zwei Jahre zuvor Madrid bombardiert und die spanische Stadt Guernica dem Erdboden gleich gemacht. Die ebenfalls auf den Mainzer Bahnhofs-Reliefs großflächig dargestellte "Reichsbahn"-Flotte führte seit 1938 Massendeportationen durch. Das Gesamtensemble der NS-Reliefs auf Gleis 8 des Mainzer Hauptbahnhofs verherrlicht deutsche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit. Die Reliefs müssen täglich von Tausenden Reisenden betrachtet werden, die an Gleis 8 auf Züge des Regionalverkehrs warten.

Die NS-Propaganda war von der "Reichsbahn" 1939 angebracht und beim Umbau des Mainzer Hauptbahnhofs (2003) dem Reisepublikum erneut vorgesetzt worden. Nach Auskunft der Unteren Denkmalschutzbehörde handelt es sich um bewahrenswertes Kulturgut. Warum die unverkennbaren NS-Reliefs ohne jeglichen Hinweis auf die zeitgeschichtliche Zusammenhänge seit Jahren kommentarlos ausgestellt werden, konnte das Mainzer Bauamt nicht erklären. Auch auf der Internet-Seite der Deutschen Bahn AG fehlt jede Klarstellung (http://www.bahnhof.de/site/bahnhoefe/de/sued/mainz__hbf/bahnhofsplan/bahnhofsplan.html).

Daß die Deutsche Bahn AG die NS-Darstellungen auf Gleis 8 duldet und jeden Hinweis unterläßt, verwundert nicht: NS-Propagandamaterial hatte das Unternehmen bis Anfang März auf "Bahn TV" verbreitet, und nahm es erst nach Protesten der Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung" aus dem Netz (Verdrängen, Vergessen, Verleugnen). Die Vorgänge machen deutlich, daß die "Reichsbahn"-Erben den historischen Überhang der Verbrechensgeschichte des Vorgängenunternehmens noch immer nicht beseitigt haben. Umso entschlossener widersetzt sich die Deutsche Bahn AG einem angemessenen Gedenken an die Opfer und belegt den "Zug der Erinnerung" mit horrenden Gebühren. Die Fahrt des Zuges ist nur wegen großegiger Spenden möglich.

In Mainz kamen an vier Tagen etwa 6.000 Besucher in die Ausstellung. Bis zum kommenden Sonntag steht der "Zug der Erinnerung" auf dem Hauptbahnhof Worms, am Montag fährt er nach Ludwigshafen weiter.


Koblenz und Mainz: Die Familien der Opfer gedenken ihrer Angehörigen auf den Bahnhöfen

Zahlreiche Sinti-Familien im "Zug der Erinnerung"/ Starker Besucherandrang/ Großzügige Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz

Verhaftete Sinti-Kinder mit ihren Familien (1940, Festung Hohenasperg).

MAINZ - Ihrer deportierten und ermordeten Angehörigen gedenken zahlreiche Sinti-Familien auf den Haltebahnhöfen in Rheinland-Pfalz. Dort traf der "Zug der Erinnerung" am vergangenen Freitag ein, nachdem er bei über 5.000 Besuchern in Bonn auf reges Interesse gestoßen war. Bereits am Eröffnungstag der Ausstellung in Koblenz kamen Familien Koblenzer Sinti auf Bahnsteig 1a, deren Eltern oder Großeltern aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern nicht zurück kehrten. In Mainz, wo der Zug seit Montag auf Gleis 13 steht, wiederholen sich Szenen der Trauer und des Gedenkens, während der alltägliche Zugverkehr auf den Nachbargleisen weiter geht.

Im Mai 1940 wurden alle Mainzer Sinti-Familien deportiert, darunter 52 Kinder und Jugendliche. Unter ihnen befanden sich der 14jährige Johannes Lehmann, sein 13jähriger Bruder Wendelin und die 11jährige Schwester Maria. Ohne Ankündigung waren sie in den Morgenstunden des 16. Mai auf den Mainzer Güterbahnhof befohlen worden. Erlaubt war nur die Mitnahme von Handgepäck bis zu 50 kg pro Person. "Unmittelbar nach der Festnahme erschienen Räumkommandos, die die Wohnungen der Festgenommen leerten und alles mitnahmen...Um 10.49 Uhr setzte sich der Sonderzug planmäßig in Bewegung Richtung Worms. Dort wurden 81 weitere 'Zigeuner' und 'Zigeunermischlinge' 'zugeladen'". Der "Reichsbahn"-Zug erreichte am Nachmittag Hohenasperg, eine damalige Zweigstelle des Zuchthauses Ludwigsburg. Im Polizeibericht heißt es: "Das Entgegenkommen der Reichsbahn muß lobend erwähnt werden."

Daß der "Zug der Erinnerung" insgesamt 5 Stationen in Rheinland-Pfalz anfahren kann, verdankt die Bürgerinitiative der Landeszentrale für politische Bildung. Gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium hat sie hat für eine frühe Einbeziehung der Schulen gesorgt und ermöglicht die Finanzierung der Fahrt, die nach Speyer auf das Gebiet von Baden-Württemberg bergehen wird. Bei Eintreffen des Zuges in Mainz sprachen die Ministerin für Bildung, Doris Ahnen, Bürgermeister Norbert Schüler sowie der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid. Das Stadtarchiv hatte mehrere Exponate über die Deportationen in Mainz vorbereitet, die landesweiten Gewerkschaftsorganisationen sorgen für eine überparteiliche Betreuung der Fahrt.

Inzwischen haben über 10.000 Besucher die neue Ausstellung gesehen (Bonn: 5.300/ Koblenz: 3.200/ Mainz: bisher 2.000). Bis zum kommenden Donnerstag Abend werden in Mainz weitere 3.000 Besucher erwartet. "Besondere Aufmerksamkeit findet die Abteilung 'Verdrängen & Vergessen', die über das Beschweigen der Massendeportationen in den 1980er und 1990er Jahren berichtet", heißt es im Tagesprotokoll der pädagogischen Zugbegleiter, die in Mainz ab 08.30 Uhr Dutzende Schulklassen empfangen.


Verdrängen, Vergessen, Verleugnen

Nazi-Propagandasequenzen in "Bahn TV"/ Das Geschichtsbild der "Reichsbahn"-Erben/ Zugausstellung zeigt Dokumente

"Die Wirtschaft erlebte einen nie erwarteten Aufschwung...auch im
Lokomotivbau...Der Lebensstandard steigt - und damit die
Reiselust" (Originalton "Bahn TV")

BERLIN/ KOBLENZ - Heftige Besucherreaktionen lösen Dokumente aus, die in der erweiterten Ausstellung im "Zug der Erinnerung" über das Geschichtsbild der "Deutschen Bundesbahn" (DB) und der heutigen "Deutschen Bahn AG" (DB AG) informieren.

Dokumentiert werden u.a. Ausschnitte aus der internen Korrespondenz der DB, die eine öffentliche Darstellung der NS-Massendeportationen in die Vernichtungslager bis 1985 zu verhindern suchte. Wörtlich heißt es in mehreren DB-Schreiben, "daß die Rolle der Eisenbahn bei der Judenverfolgung im Dritten Reich nicht zum Gegenstand" einer Ausstellung über die Bahngeschichte gemacht werden dürfe. Die Beihilfe zum Massenmord an Millionen Deportierten sei "ihrem Wesen nach keine andere gewesen als die Rolle z.B. der damaligen Straßenbauverwaltungen, die die Straßen zu den Konzentrationslagern bauen mußten", heißt es in verniedlichender und exkulpatorischer Absicht. Als Historiker Akten über die "Reichsbahn"-Deportationen anfordern wollten, antwortete die DB, "daß es nicht zu Ihren Aufgaben gehört und auch über Ihre Möglichkeiten hinausgeht, Forschungen in dieser Richtung sachkompetent durchzuführen." Daraufhin blieben die Dokumente, die über den letzten Weg der Deportierten Auskunft geben konnten, weitgehend unter Verschluss. Bis heute lagern in den Archiven der "Reichsbahn"-Nachfolger Fotoalben und andere Hinweise auf mutmaßliche Täter.

Das Beschweigen des Leidensweges der Deportierten setzt die "Deutsche Bahn AG" in einem Beitrag auf ihrer Internet-Seite "Bahn TV" im Jahr 2009 fort. Auf "Bahn TV" ("journalistische Kompetenz mit Hintergrundinformationen") offeriert die DB AG einen Film, der die NS-Diktatur als eine Periode wirtschaftlicher Prosperität darstellt ("Die Wirtschaft erlebte einen nie erwarteten Aufschwung...auch im Lokomotivbau"). "Bahn TV" zeigt dazu NS-Propagandasequenzen mit fröhlichen Urlauberzügen und textet über die Zeit der "Reichsbahn"-Massendeportationen mehrerer tausend Juden an die polnische Grenze: "Der Lebensstandard steigt...und damit die Reiselust." Das unverfremdete NS-Bildmaterial ist mit einem belebenden Militärmarsch unterlegt und erweckt den Eindruck erfreulicher Normalität.

Die Sequenz bricht abrupt ab und geht ohne jegliche Erwähnung der Jahre 1939 bis 1945 in Aufnahmen zerstörter deutscher Städte und bombardierter Bahnanlagen über. Zu den mitfühlenden Klängen der Filmmusik beklagt der Kommentator die enormen Schäden an den Gleisen - kein Wort zu den Ursachen der Verwüstungen, kein einziger Satz zu den Opfern, die von der "Reichsbahn" in die Vernichtung transportiert wurden oder in KZ-Baubrigaden auf den Gleisen ihr Leben lassen mussten.

In "Bahn TV" wird der Film als besonders gelungen angepriesen: "...mit viel Liebe zum historischen Detail". Die auf einem Ausstellungsmonitor abrufbare Darstellung der DB AG löst im "Zug der Erinnerung" Befremden und Empörung aus.

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Nach vier Tagen auf dem Bonner Hauptbahnhof, wo über viertausend Besucher in den "Zug der Erinnerung" kamen, ist die Ausstellung von Freitag bis zum Sonntag Abend auf Gleis 1 in Koblenz zu sehen. Wir berichten.


"Beschämend und entehrend für die Opfer"

Weihbischof Koch verurteilt auf dem Bonner Hauptbahnhof die Leugnung der Shoah/ Erweiterte Ausstellung eröffnet/ Kritik an fehlender Unterstützung staatlicher Institutionen

Der Kölner Weihbischof Koch vor Fotos der deportierten Kinder. Im Hintergrund
die Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Frau Petra Bosse-Huber.

Foto: S. Engelbertz, Köln

BONN - Bei Eröffnung der erweiterten Ausstellung im "Zug der Erinnerung" hat der Kölner Weihbischof Heiner Koch dazu aufgerufen, "Antisemitismus und Leugnung des Holocaust" "entschieden zurückzuweisen". Die Aussagen des Negationisten Richard Williamson nannte Koch beschämend und entehrend für die Opfer. Die Erinnerung an die Schoah schmerze, weil sie mit dem Versagen, mit Schuld und Snde konfrontiert, "auch unserer Kirche", sagte Koch vor Vertretern des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden und der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Frau Petra Bosse-Huber. Gemeinsam mit dem Bonner Bürgermeister hatten sie den Zug bei seiner Einfahrt um Montag auf Gleis 4 empfangen. Mehrere Redner nannten den "Zug der Erinnerung" eine "mobile Gedenkstätte".

Der viertägige Aufenthalt kommt mit maßgeblicher Unterstützung der Stadt Bonn zustande und wird von vielen bürgerschaftlichen Organisationen getragen ("Wir erwarten viele tausend Menschen").

Daß sich diesem Impuls die Landeszentrale für politische Bildung NRW nicht in der erwarteten Weise anschliesst, kritisierte die Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung". Es müsse verlangt werden, daß die staatlichen Institutionen "dem steigenden Pegel rassistischer Gewalt kompromißlos begegnen". Statt dessen sei ein Rückzug auf das bürokratische Regelwerk zu beobachten: 'Wir handeln im Rahmen unserer Pflichten', sagt die Landeszentrale für politische Bildung NRW, und versagt dem 'Zug der Erinnerung' eine angemessene Unterstützung. 'Wir halten uns strikt an die Gesetze', sagt der Vorstand der Bahn AG und belegt den 'Zug der Erinnerung' mit horrenden Gebühren. 'Darüber sind wir bestürzt', sagt die Bundesregierung, aber ändert seit zwei Jahren nichts... Angesichts der Ereignisse von Dresden, wo 6 Tausend Neonazis durch die Stadt marschierten und Andersdenkende krankenhausreif schlugen, ist die staatliche Praxis, die wir beklagen, ein Skandal." (Volltext)

Am zweiten Tag des Zugaufenthalts bildeten sich vor den Ausstellungswagen lange Schlangen. Neben Schulklassen und Reisenden, die Übergangszeiten zu einem Besuch nutzten, kamen hunderte Bonner, um sich im regionalen Teil Exponate ber die örtlichen Deportationen anzusehen. 14 Tafeln, die das Stadtarchiv und die Gedenkstätte Bonn anfertigten, informieren über Kinder und Jugendliche, die aus ihrer Heimatstadt in die Vernichtung transportiert wurden. Dieser Opfer wird auf Gleis 4 des Bonner Hauptbahnhofs noch bis zum Donnerstag Abend gedacht werden. Nächste Station ist Koblenz (www.mahnmalkoblenz.de)


"Wir erwarten mehrere tausend Menschen"

Der "Zug der Erinnerung" erreicht Bonn/ Gedenken an über 200 Kinder und Jugendliche/ Breites Spektrum aus Zivilgesellschaft und städtischen Unterstützern

Ruth Herz wurde 1925 in (Bonn-) Beuel geboren. Am
20. Juli 1942 wird sie mit ihrer Familie über den Bahnhof
Köln-Deutz in das Vernichtungslager Maly Trostenez
deportiert (Transportnummern 340, 341 und 342) und
dort ermordet.

BONN - Nach einer umfangreichen Neugestaltung seiner Ausstellung ber die NS-Deportationen hat der "Zug der Erinnerung" am Wochenende Bonn angesteuert und steht ab Montag (02. März) bis kommenden Donnerstag (05. März) auf Gleis 4 des Bonner Hauptbahnhofs ganztägig offen. Den Aufenthalt des Zuges begleiten zahlreiche Veranstaltungen, die von der "Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus - An der Synagoge e.V." koordiniert werden (Flyer Bonn). Wir sprachen mit der Leiterin Astrid Mehmel.

ZdE: Woher kam der Anstoß, den Zug nach Bonn einzuladen und wer ist aktiv?

Astrid Mehmel: Der Anstoß kam sowohl aus der Mitgliedschaft unseres Trägervereins als auch aus der Initiative zum Gedenken an die Bonner Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Initiative gehören 12 Organisationen an (1). Sie haben gemeinsam mit dem DGB Bonn/Rhein-Sieg Oberberg die Bundesstadt Bonn gebeten, das Vorhaben finanziell zu untersttzen. Die Antwort der Stadt war sehr positiv.

Zum Trägerverein stiessen der ASTA der Uni Bonn, der Arbeitskreis Psychiatrie in der Rheinischen Landesklinik Bonn, die Internationale Begegnungsstätte Bonn-Zentrum (städtisch), die Katholische Familienbildungsstätte Bonn, die Bonner Kinemathek sowie StattReisen Bonn erleben e.V.... Ein sehr breites Spektrum aus Zivilgesellschaft und städtischen Unterstützern!

ZdE: In Bonn gibt es seit Jahren eine intensive Forschungstägigkeit, durch die Gedenkstätte, aber auch durch das Stadtarchiv. Wieviele Kinder und Jugendliche wurden aus Bonn und Umgebung deportiert? Welche Exponate bringen Gedenkstätte und Stadtarchiv in die Ausstellung auf dem Bonner Hauptbahnhof ein?

Astrid Mehmel: Die Zahl der Deportierten aus Bonn ist große weil darunter neben den Kindern und Jugendlichen aus den Jüdischen Gemeinden auch viele Patienten aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie waren. Es sind über 200 Kinder und Jugendliche, die verschleppt und dann ermordet wurden: Kinder von Juden, Sinti und Kinder mit Behinderungen. Diese drei Opfergruppen werden mit 14 Beispielen in dem Bonner Teil der Ausstellung in einem der Waggons vorgestellt. Außerdem werden wir eine Liste vorlegen der Kinder und Jugendlichen, die wir namentlich kennen. Diese Liste konnte mit Hilfe von Dokumenten und Forschungsarbeiten des Stadtarchivs, der Gedenkstätte sowie der Archivarin in den Rheinischen Kliniken zusammengestellt werden.

ZdE: Wie waren die Reaktionen der Bonner öffentlichkeit im Vorfeld des Zugaufenthalts?

Astrid Mehmel: Das Interesse ist sehr große Allein aus den Schulen haben sich an sämtlichen Tagen so viele Klassen angemeldet, daß wir zwischen 9 und 16 Uhr eine pausenlose halbstündige Gruppenbelegung haben. Dazu kommen zahlreiche Einzelbesucher. Wir erwarten mehrere tausend Menschen.

ZdE: Der Zug wird bis zum kommenden Donnerstag im Bonner Hauptbahnhof stehen. Läßt sich ein längerfristiger Ertrag absehen?

Astrid Mehmel: Wir sind sehr zuversichtlich, dass vor allem Schülerinnen und Schüler sowie andere junge Erwachsene sich weiterhin mit dem Thema befassen werden. Besonders die Gedenkstätte Bonn mit ihrer Dauerausstellung und das Stadtarchiv Bonn mit der Stadthistorischen Bibliothek bieten vielfältige Möglichkeiten, sich mit den Bonner Opfern in Projektarbeit und historischer Spurensuche auseinanderzusetzen. Die im "Zug der Erinnerung" angesprochenen Themen können hier vertieft und nachhaltig erarbeitet werden. Beide Institutionen bieten die Betreuung von Facharbeiten und Projekten an.


(1) Beueler Initiative gegen Fremdenhass, Bildungswerk für Friedensarbeit, Deutsch-Israelische Gesellschaft e. V. AG Bonn, Evangelisches Forum Bonn, Friedenskreis Marienforst, Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus An der Synagoge e. V., Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Bonn e. V., Katholisches Bildungswerk Bonn, Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, Synagogengemeinde Bonn, Verein Gegen Vergessen - für Demokratie, Volkshochschule Bonn



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